Innovatives „Packaging Design“ aus dem vorletzten Jahrhundert

by Bernd Huth

Als Produktdesigner gilt meine Leidenschaft schon seit jeher vor allem ungewöhnlichen Alltagsgegenständen aus unterschiedlichen zeitlichen und kulturellen Zusammenhängen. Die unten abgebildete Codd Bottle habe ich vor gut 25 Jahren in London auf einem Flohmarkt gekauft, weil sie mich sowohl ästhetisch als auch funktional begeistert hat.

Der Engländer Hiram Codd hat die nach ihm benannte „Codd Bottle“ vor fast 150 Jahren erfunden. Codd arbeitete damals als Vertreter für die British and Foreign Cork Company. Zu dieser Zeit wurden kohlensäurehaltige Getränke überwiegend in Glasflaschen mit Korken verkauft. Der große Nachteil dieses Verschlusses war jedoch, dass der Druck der Kohlensäure für den Korken oftmals zu groß wurde, vor allem wenn dieser ausgetrocknet war. Zusätzlich wurde der Korken also mittels Band oder Draht gesichert, wie wir es auch heute noch von Sekt kennen. Codd wollte dieses aufwendige Verfahren vereinfachen.

Als genialer Erfinder und Maschinenbauer hatte er bald eine Lösung gefunden, die er sich 1872 patentieren ließ. Das Prinzip ist genauso einfach wie genial. Der von ihm entwickelte Verschluss verschließt die Flasche nicht von außen, sondern von innen und nutzt dafür den Druck der Kohlensäure. Durch den Flaschenhals wird während der Produktion eine Glasmurmel im Inneren der Flasche platziert. Nach dem Befüllen der Flasche presst der Druck der Kohlensäure die Murmel zuverlässig und dauerhaft gegen eine Dichtung im Flaschenhals (siehe Bild). In der im Flaschenhals sichtbaren Nut war die Gummidichtung platziert. Die seitlichen Einbuchtungen am Flaschenhals soll verhindern, dass die Murmel beim Ausgießen/Trinken die Flasche wieder verschließt.

Hiram Codd hat mit seinem genialen Erfindergeist vor fast 150 Jahren eine nachhaltige, langlebige und gut recyclebare Verpackung geschaffen.

Codd verkaufte in den Folgejahren auf Basis mehrerer Patente Lizenzen an unterschiedliche Flaschenhersteller, so verbreitete sich die „Codd Bottle“ fast weltweit. Da die Flasche in der Herstellung aufwendiger und somit teurer als „normale“ Flaschen war, wurde ein gut funktionierendes Mehrwegsystem aufgebaut. Beliebt waren die Flaschen zum Leidwesen der Abfüller auch bei Kindern, die allerdings nur ein Interesse an der Murmel im Inneren der Flasche hatten…

Was ist aus der Codd Bottle geworden?

In Deutschland waren die Flaschen vor allem im Ruhrgebiet mit seiner ausgeprägten Büdchen- oder Trinkhallenkultur bis in die 50er Jahre weit verbreitet. Hier waren sie jedoch eher als Klickerflaschen bekannt. Heute ist die Codd Bottle nur noch in Japan und Indien zu finden. Die japanische Firma Ramune füllt noch heute ihre Getränke in diesen Flaschen ab und hat dadurch weltweit eine große Fangemeinde. Die Ramune Flasche ist vermutlich aus Kostengründen allerdings etwas abgewandelt worden. Auf dem Flaschenhals ist oben ein Kunststoffverschluss, in dem die Murmel sitzt. Auf diese Weise ist die Herstellung der Flasche deutlich einfacher. Darüber hinaus muss die Flasche nach dem Abfüllen nicht mehr auf den Kopf gedreht werden, damit die Murmel gegen die Dichtung gepresst wird.
In Indien verdrängen die Massenprodukte der internationalen Konzerne leider zusehends die ehemals sehr weitverbreiteten Flaschen vom Markt.

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